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Reden bei Demo in Eschede, 18.06.2016

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Redebeitrag Jens-Christian Wagner

Eschede, 18.06.2016

Sehr geehrte Anwesende, liebe Freunde und Freundinnen,

wenn der Vertreter einer NS-Gedenkstätten-Stiftung über heutige rechtsextreme Gewalt und heutige Nazis spricht, so liegt der Gedanke der Gleichsetzung der NS-Verbrechen mit Mordtaten heutiger Rechtsextremisten nahe. Darum kann es aber nicht gehen. Die platte Analogiebildung wäre ahistorisch und falsch. Die NS-Verbrechen gegenüber den europäischen Juden, Sinti und Roma, Andersdenkenden, Widerstandskämpfern, Behinderten, Homosexuellen, sogenannten Asozialen und Millionen Zwangsarbeitern geschahen im spezifischen historischen Kontext des NS-Staates. Massenmord wurde staatlich propagiert, angeordnet und legitimiert. Millionen ganz gewöhnlicher Deutscher wurden zu Mördern, viele andere schauten ihrem Treiben zustimmen zu.

Das trifft auf heutige rechtsextremistische Gewalttaten glücklicherweise nicht zu. Rechtsextremisten sind in den meisten Gegenden Deutschlands – aber nicht überall – eine kleine, wenn auch gefährliche Minderheit: Wie gefährlich sie sind, zeigt nicht zuletzt die im vergangenen Jahr deutlich gestiegene Zahl von Übergriffen gegen Flüchtlinge. Nach Angaben des BKA wurden 2015 über 900 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte begangen – das waren fast drei pro Tag.

Es wäre, wie ich bereits sagte, falsch, Mord und Verfolgung im Nationalsozialismus mit heutigen Formen des Rechtsextremismus gleichzusetzen, und wir sollten uns hüten, die Opfer von Bergen-Belsen und anderer Mordstätten der Nationalsozialisten für heutige politische Zwecke zu instrumentalisieren, und seien sie auch noch so begründet und gut gemeint. Dennoch zeigt die aktuelle Hetze gegen Flüchtlinge, die aus der Mitte der Gesellschaft kommt, erschreckende Ähnlichkeiten mit Ausgrenzungsdiskursen und -praktiken in den 1930er Jahren.
Die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen kann helfen, solche Ähnlichkeiten aufzudecken und auch gegenüber subtilen Formen rassistischen und diskriminierenden Redens und Handelns zu sensibilisieren – und eine eigene, historisch bewusste Haltung einzunehmen. Und dazu gehört dann auch, gegenüber heutigen Formen der Ausgrenzung und Verfolgung die Stimme zu erheben – so wie gegen die derzeitige Hetze gegen Flüchtlinge, gegen Juden, gegen Muslime oder gegen Roma – vor Flüchtlingsunterkünften, in sozialen Netzwerken, an Stammtischen, oder auf Schulhöfen; von Pegida- oder AFD-Demonstrationen und Nazi-Treffen wie hier in Eschede ganz zu schweigen.

Eine Gleichsetzung der NS-Verbrechen mit heutiger Fremdenfeindlichkeit verbietet sich. Aber man kann Ursachen und Folgen vergleichen. Und wenn man das tut, fällt auf, dass es nicht nur in Bezug auf die Gewaltbereitschaft, sondern vor allem ideologisch wichtige und erschreckende Ähnlichkeiten gibt. Dazu zählen der Antisemitismus, die Abwehr alles „Fremden“, die Abwehr einer offenen, demokratischen Gesellschaftsordnung (überhaupt eine Ablehnung der Moderne) und die Idee einer rassistisch geprägten „Volksgemeinschaft“, die sich über die Mechanismen der Exklusion und Inklusion generiert. Und schließlich spielt der Glaube an die Gewalt als Mittel politischer Auseinandersetzung eine zentrale Rolle. Das sind ideologische Grundfesten, die Alt- und Neonazis miteinander verbinden.

Zu diesen ideologischen Grundfesten nicht der gesamten, aber eines Teils der rechtsextremen Szene, nämlich dem völkischen Spektrum, gehört der Bezug auf germanische Wurzeln und heidnische Bräuche – die klassische „Blut-und-Boden“-Ideologie. Diese feiert auf dem Hof von Joachim Nahtz feucht-fröhliche Urständ.

Zum völkisch-heidnischen Repertoire gehören die auch im Nationalsozialismus und auch davor schon groß begangenen Sonnenwendfeiern, die häufig esoterisch aufgeladen waren und sind. Am Feuer werden Rituale und Beschwörungen praktiziert, um mit sich, der Natur und dem „Volk“ eins zu werden. „Das gemeinsame Verweilen an der Glut des Sonnenwendfeuers“ stärke das Zusammengehörigkeitsgefühl und gebe „neue Kraft für jene Taten, die unser Volk wieder zu dem erwachsen lassen, das es einstmals war“, erklärte vor Jahren der Neonazi Dennis Bührig von der „Kameradschaft Celle 73“ bei einer Wintersonnenwendfeier. Und Edda Schmidt, langjährige NPD-Aktivisten, wurde auf der Webseite der „Düütschen Deerns“, eines völkischnazistischen Frauenbundes, deutlich: „In unseren Festen ist trotz der Überfremdung (...) die Weltanschauung des nordischen Menschen (...) erhalten geblieben.“ Die „Brauchtumspflege“ sei das Bollwerk gegen „Umerziehung“.

Mit ihren Sonnenwendfeiern knüpfen die Escheder Neonazis und ihre Gäste ganz bewusst an die Tradition der NS-Zeit und deren völkische Ideologie an. Die Feiern dienen der ideologischen Schulung, der Selbstlegitimation und der Netzwerkbildung, und sie bereiten den Boden für ein gesellschaftliches Klima der zunehmenden Feindlichkeit gegenüber vermeintlich Fremden, das die Neonazis zu stärken und zugleich für sich zu nutzen versuchen.
Wir wissen, wohin der Nationalsozialismus führte: Zur Ermordung der europäischen Juden, zum Mord an Kranken und „Unproduktiven“, zum Raub- und Vernichtungskrieg in ganz Europa, zu vielen Millionen Toten vor allem im besetzten Polen und in der Sowjetunion, zur Zerstörung weiter Landstriche in Europa – und zum Massensterben in Bergen-Belsen, nur 25 km von hier entfernt. Jedem Menschen mit Herz und Verstand verschlägt es die Sprache, wenn er sieht, wie die Verfolgungspolitik der 1930er Jahre gegen Ende des Krieges in Bergen-Belsen endete: Angesichts der Fotos der Tausenden unbestattet im Gelände liegenden halb verwesten Leichen, die die britischen Befreier im April 1945 in Bergen-Belsen vorfanden, kann man nur mit Fassungslosigkeit reagieren – und mit Wut, wenn sich die geistigen Erben derer, die diese Verbrechen begangen haben, hier in Eschede zu vermeintlich harmlosen Brauchtumsfeiern versammeln. Vor diesem Hintergrund ist der Vergleich (nicht die Gleichsetzung!) von NS-Verbrechen mit dem Denken und Handeln heutiger Rechtsextremisten (damit komme ich zum Anfang meiner Überlegungen) nicht nur legitim, sondern nötig.

Dieser Vergleich ist auch im Hinblick auf die vielen Mitmacher und Zuschauer im Nationalsozialismus und bei heutigen rechtsextremistischen Gewalttaten fruchtbar. Nur relativ wenige Deutsche widerstanden dem Nationalsozialismus. Die meisten machten bis zum Kriegsende mehr oder weniger begeistert mit, jedenfalls verhielten sie sich auch dann noch loyal zum Regime, als dessen Untergang unabsehbar war. Und viele wurden zu Mittätern und Zuschauern bei bis dato nicht für möglich scheinenden Verbrechen.

Besonders deutlich lässt sich das am Beispiel der Konzentrationslager und ihres gesellschaftlichen Umfeldes zeigen. Im Nachkriegsdiskurs wurden die Lager irgendwo im diffusen „Osten“ verortet, oder hinter Wäldern und Bergen versteckt, auf jeden Fall nicht inmitten der Gesellschaft. Genau dort aber waren sie. Sie gehörten spätestens im Krieg zum Alltag der Bevölkerung.

Dieser Befund wirkt vor allem auf jüngere Besucher von Gedenkstätten verstörend, und er ruft Fragen hervor: Warum machten die meisten Deutschen bis zum Ende des Krieges mit? Warum stießen die Lager in ihrem gesellschaftlichen Umfeld auf breite Akzeptanz, wurde die Gesellschaft zum Teil des Lagerzauns? Was motivierte Industrielle und Kleinunternehmer, KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter einzusetzen? Was bewog Anwohner der Lager, Häftlingen feindselig zu begegnen oder bestenfalls wegzusehen, statt zu versuchen, ihnen zu helfen?

Die Antwort auf diese Fragen liegt in einem Bündel habitueller, struktureller und ideologischer Faktoren, die zumindest stichwortartig genannt seien: Die Gewöhnung an Gewalt und Ausgrenzung etwa, oder verbreiteter Ordnungssinn, Gruppendruck, Indoktrination, öffentliche Kriminalisierungsdiskurse gegenüber den Ausgegrenzten, der Diskurs der „öffentlichen Sicherheit“ (heute heißt das „innere Sicherheit“), Angst vor allem „Anderen“ und schließlich die Obrigkeitshörigkeit oder allgemeiner: autoritäres Denken.

Hier zeigt sich ein erschreckender Gegenwartsbezug: Viele der genannten Faktoren sind nicht spezifisch nationalsozialistisch geprägt, sondern entfalten mehr oder weniger stark auch heute noch bei vielen Menschen ihre Wirkung – und das jenseits falscher Analogiebildungen und vor allem auch weit über den überschaubaren Kreis der Hardcore-Neonazis hinaus: Autoritäres, antiaufklärerisches und rassistisches Denken kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Das ist die wirkliche Gefahr.

Genau in dieser Erkenntnis liegt in der historisch-politischen Bildung und damit in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte ein großes didaktisches Potential: Mit der differenzierten Auseinandersetzung der Täter- und Mittäterschaft im Umfeld der Lager und deren vielfach auch heute noch wirksamen Motivationsstruktur sollten wir alle ganz ohne den erhobenen Zeigefinger ermuntert werden, selbstkritisch unsere eigene politische, ethische und soziale Haltung im heutigen Leben zu hinterfragen. Und eine Antwort auf diese Fragen ist es dann, bei Neonazi-Treffen wie heute in Eschede nicht stumm wegzuschauen, sondern seine Stimme zu erheben – weil wir wissen, dass es nicht harmlos ist, was die Neonazis hier veranstalten, sondern ein Angriff auf Menschenrechte und Demokratie.


Redebeitrag Celler Forum

Eschede, 18.06.2016

Wir haben uns heute hier versammelt, um erneut gegen die Verbreitung von rechter Hetze hier in Eschede und auch anderorts zu demonstrieren.
Wir stellen fest: Die moderne rechte Hetze, der Rassismus ist hinterhältig, intelligent verschlüsselt und setzt sich aus einer breiten Masse zusammen.
Fast täglich greifen Rassisten und  Rassistinnen Flüchtlingsheime an, islamfeindliche Übergriffe nehmen zu. Erschreckend viele Menschen beteiligen sich an fremdenfeindlichen und rassistischen Demonstrationen und rechte Parolen dringen zunehmend in den Alltag.
Kürzlich hat die Süddeutsche Zeitung als auch das ZDF darauf aufmerksam gemacht, dass eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine im Bundestag gestellte Anfrage aufzeigt, dass es im September 2015 466 nicht vollstreckte Haftbefehle gegen insgesamt 372 rechtsextreme Täter gegeben hat. Mehr als 100 dieser Haftbefehle bezogen sich auf Gewalttaten und weitere 70 auf politisch motivierte Straftaten. Man muss deshalb davon ausgehen, dass es zum damaligen Zeitpunkt mindestens 150, möglicherweise aber erheblich mehr solcher rechtsextremer Täter gegeben hat, die abgetaucht sind und sich ihrer Verhaftung erfolgreich entziehen konnten.
Die Geschichte des NSU sollte uns als warnendes Beispiel dienen, wohin eine derartige Ausgangslage führen kann. Man hatte es damals versäumt, Haftbefehle gegen die drei Personen durchzusetzen und dadurch einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass sie später ihre mörderischen Aktivitäten entfalten konnten. Das darf sich nicht wiederholen.
Einen wesentlichen Anteil an dieser  fremdenfeindlichen und rassistischen Stimmung hat die „Alternative für Deutschland“ (AfD). Sie verbreitet rassistische Vorurteile und hetzt insbesondere gegen Geflüchtete. Sie stellt Flucht und Zuwanderung als enorme Bedrohung dar und schürt gezielt Ängste vor „Überfremdung“ und „dem Islam“. Die AfD benutzt nationalistische und völkische Ideologie, um soziale Unzufriedenheit rassistisch aufzuladen und rechte Scheinantworten zu propagieren.  Die AfD versucht die Interessen von Erwerbs- oder Obdachlosen und Rentner_innen gegen die Interessen von Geflüchteten auszuspielen und schürt so Hass, der sich schließlich auf der Straße oder in Anschlägen entlädt.
Die AfD wird zunehmend zum Sammelbecken für Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und antimuslimischer Hetze.
Wir müssen verhindern, dass diese Rassisten Raum für ihre Hetze bekommen. Wir können nicht zulassen, dass die AfD mit ihrer rechten Ideologie weiter an Einfluss gewinnt. Deshalb müssen wir uns der AfD und anderen ähnlich orientierten Organisationen überall entgegenstellen.
Auch in Celle und Umgebung gibt es eine spürbare gesellschaftliche Verschiebung nach rechts.
Völkische und nationalistische Schmierereien und Sticker sind an vielen Ecken zu finden.
Rechtspopulistische Bewegungen stehen in direktem Zusammenhang mit einem nachlassenden sozialen Zusammenhalt. Das zeigt sich an dem stetigen Abriss der sozialen Sicherungssysteme.
Große Teile der Gesellschaft werden abgehängt
-    Altersarmut steigt
-    Fast jedes 5. Kind unter 18 Jahre lebt in einem einkommensarmen Haushalt
-    Pflegenotstand
-    Arm trotz Arbeit
-    Usw.
Was erleben wir in Deutschland: Unter der wachsenden rassistischen Kraft und dem Einfluss von AfD sowie anderen ähnlich orientierten Organisationen bricht die Bundesregierung immer mehr ein und rückt weiter nach rechts, um zu zeigen, dass sie das „Problem" allein bewältigen können. Ich erinnere nur einmal in diesem Zusammenhang an Asylpaket I mit der Einführung der Schnellverfahren, Wiedereinführung der Residenzpflicht usw. dann Asylpaket II + III, jetzt mit Tunesien, Marokko und Algerien als weitere sichere Herkunftsländer, Verbot des Familiennachzugs auf zwei Jahre, der Einrichtung von besonderen Ankunftszentren usw.
Das ist:
Integration durch Abwehr?
Schuld an der misslichen Lage Deutschlands sind nicht etwa die Geflüchteten, sondern die Politik, die sich selbst immer weiter in die Knie zwingt und unaufhörlich eine Krise nach der anderen verursacht. Durch die Gier der Profitmaximierung werden Konzerne zu den herrschenden Mächten, der Waffenexport führt zu Krieg, Krieg führt zu Flucht, und das Ziel der Flucht sind die Länder, aus denen die Waffen kommen.
Rassistische Darstellungen und Reden sind in Deutschland des 21. Jahrhundert wieder salonfähig.
Diese Kommunikation, dieses Sprechen über die Flüchtlinge und Migranten, verschlägt mir in letzter Zeit die Sprache. Mir bleibt bei dem vielen, was passiert, was gesagt wird, was getan wird, einfach die Luft weg.
So muss man sich anhören: Das Integrationsgesetz sieht Leistungskürzungen vor, wenn Geflüchtete Integrationsmaßnahmen ablehnen. Deutschland wolle schließlich keine „Integrationssimulanten“ so Sigmar Gabriel Mitte April.
Jüngst in Spiegel-Online zu lesen:
„Bundesamt sucht Juristen ohne Fachkenntnisse“
Da blieb mir die Luft weg,
In puncto anwaltliche Kompetenz hat die Nürnberger Behörde offenbar sehr eigene Vorstellungen. Denn unter Verweis auf die Gefahr einer "Interessenskollision" heißt es in der Stellenausschreibung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge: "Das Stellenangebot richtet sich daher nicht an Juristen/Juristinnen, die auf dem Gebiet des Asyl- und Ausländerrechts tätig sind."
Viele von Ihnen wissen davon möglicherweise noch nichts: Unweit von hier hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Bad Fallingbostel ein Ankunftszentrum geschaffen.

Erst einmal denkt man wunderbar, jetzt werden die Menschen mit Hingabe und Zuwendung im Ankunftszentrum empfangen und auf das Asylverfahren vorbereitet. Aber wenn man darauf ein Blick wirft  bleibt einen die Luft weg.
Die Ankommenden Menschen  werden in sogenannte „Cluster“ eingeteilt: Cluster A Schutzquote Herkunftsland höher als 50 %, Cluster B sichere Herkunftsländer, Cluster C komplexe Fälle, Cluster D die Dublin-Fälle.
Die Ankunftszentren sind im Ergebnis dessen angemessener als "Selektionszentren" zu bezeichnen.
Es werden im Schnellverfahren die Bescheide, die Ablehnungen erteilt. Ziel ist innerhalb von 24 Stunden oder 48 Stunden zur Bescheiderteilung zu kommen.
Die Asylsuchenden werden unmittelbar nach Ankunft in ein für sie intransparentes Asylrechtslabyrinth geschickt. Dabei haben sie keine seriöse Chance auf Zugang zu individueller ausführlicher sich auf ihren Fluchthintergrund beziehende Beratung und ggf. fachanwaltliche Rechtshilfe und Verfahrensbegleitung. Ein Verstoß gegen die Rechtsweggarantie des Artikels 19 GG ist hier akut.
Die inzwischen geltenden schärferen Regeln für Asylbewerber stoßen bei hochrangigen Juristen auf Kritik. Man könne den Verdacht haben, dass die Politik „in einigen Punkten doch kontraproduktiv über das Ziel hinausgeschossen ist“, sagte der Richter am Bundesverwaltungsgericht, Uwe Berlit, im April 2016.
Der Frankfurter Asylanwalt Tim Kliebe: mit den Einrichtungen werde eine „Entsolidarisierung mit der Zivilgesellschaft“ verfolgt.
Wenn man das Ganze betrachtet erinnert es an frühere Zeiten und es kommen unweigerlich die Gedanken an  „Aussonderung", „Sonderbehandlung", „Selektion“. Also sagt nicht Ihr habt davon nichts gewusst.
Vor unserer Tür sieht es aber auch nicht viel besser aus. Am 18.04.2016 fand in Hambühren eine Bürgerversammlung zum Thema „Flüchtlinge in Hambühren“ statt. Landrat Klaus Wiswe war auch geladen, um über die Flüchtlingssituation im Landkreis Celle zu informieren. Leider konnte es Herr Wiswe nicht unterlassen, mit seinen Äußerungen Ressentiments gegen Geflüchtete zu schüren. Wir – das Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus – finden das unerträglich. In einer Situation, in der es neben der Willkommenskultur leider auch eine zunehmende Ablehnung von Geflüchteten in der Gesellschaft gibt, empfinden wir so ein Verhalten nicht nur geschmacklos sondern auch gefährlich.
Geradezu haarsträubend war die Wiederholung der Aussage seines Parteikollegen aus Berlin, des Innenminister Thomas de Maizière, die durch Wiederholung auch nicht wahrer wird. Dieser sagte bereits letztes Jahr,  dass 30 Prozent der syrischen Flüchtlinge mit gefälschten Pässen kämen. Der musste damals ganz schnell zurückrudern. „Es werden weder bei der Bundespolizei noch im Bundesministerium des Innern Statistiken geführt, wie viele Menschen in Deutschland fälschlicherweise behaupten, syrische Staatsbürger zu sein“,  teilt das Bundesinnenministerium auf Anfrage der Panorama- Redaktion mit. Es handelt sich eher um eine „gefühlte“  Zahl, oder um es etwas sachlicher auszudrücken:  es handelt sich um „Schätzungen aufgrund von Wahrnehmungen der Behörden vor Ort“, so die Bundesregierung in einer Beantwortung einer Anfrage, die sich mit der Behauptung de Maizière befasste.
Ja, was soll man dazu sagen: In ihrem Rassismus sind Menschen offenbar bereit alles zu glauben, was ihre Vorurteile bestätigt.
Zum Thema Rechtsstaat noch etwas vom Landrat:  Er äußerte auch, dass etliche Flüchtlinge sich der Teilnahme an erkennungsdienstlichen Maßnahmen zur Erlangung der BÜMA (Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender)  verweigern würden. Aber mit etwas „Druck“  würde er diese doch dazu bewegen. Dieser Druck bedeutet konkret, dass er ihnen mit Kürzung oder Entzug ihrer Leistungen droht, wörtlich heißt es in einem Anschreiben des Landkreises Celle an Flüchtlinge:
„Im Falle einer Weigerung zur Teilnahme kann die Maßnahme mit unmittelbaren Zwang durchgeführt werden und evtl. eine Kürzung / Einstellung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erfolgen.“
So steht es in den „Einladungen“  des Landkreises Celle zur Teilnahme an den Erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Das entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage.
Habt ihr das mitbekommen, er will „unmittelbarem Zwang“ anwenden. Da bleibt mir die Luft weg. Was meint Wiswe mit unmittelbarem Zwang?
Festzustellen ist, dass Unmittelbarer Zwang ein Zwangsmittel ohne aufschiebende Wirkung ist. Es ist die Anwendung und Einwirkung auf Personen durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder durch Waffen, durch zuständige und befugte Amtsträger. Dabei ist zwingend das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren.
Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung eines Amtsträgers auf Personen oder Sachen.
Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind: z.B. das Eintreten einer Tür, das Fesseln von Verdächtigen oder der Einsatz von Wasserwerfern.
Waffen sind dienstlich zugelassene Schlagstöcke, Pistolen, Revolver, Gewehre, Maschinenpistolen, Reizstoffe und Explosivmittel.
Ich glaube dies braucht man kaum zu kommentieren, aber letztendlich ist es so dass der Eindruck entsteht, dass der Landrat mit der Androhung „Unmittelbaren Zwangs“ auf dem Weg ist grundlegende Menschenrechte nämlich das Grundrecht auf körperlicher Unversehrtheit zu verletzen.
Sich mit Alltagsrassismus zu beschäftigen, mit Rechtsextremismus, mit Rechtpopulismus, das sollte Aufgabe eines Landrats sein, aber darum scheint es ihm im Kern ja nicht zu gehen, dies ist beschämend.
Da lese ich doch am 10.06.2016 „Warnung vor Rassismus im Amt“ so titelte die Cellesche Zeitung. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beklagt einen „institutionellen Rassismus“ in Deutschland. Demnach zeigt sich „Institutioneller Rassismus vor allen Dingen durch ganz unbewusste Vorurteile, Nichtwissen und Gedankenlosigkeit.“

Zum Schluss möchte ich noch einen Wunsch äußern:
Lasst uns solidarisch handeln. Solidarität heißt: den und die Andere als Subjekt anzuerkennen. Das ist mehr und anderes als jene Barmherzigkeit, die in Deutschland als eine Art nationaler Selbstgenuss gefeiert wurde und wird, Solidarität ist mehr und anderes, da es den Anderen auch als politisches Subjekt anerkennt, das für sich sprechen kann und darf.
In diesem Sinne hoffe ich das wenn euch die Luft weg bleibt, dann umso kraftvoller schreit und hier in Eschede Heute lautstark gegen Nazis seid.