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Geschichte und Gegenwart Rechter Gewalt - Konsequenzen aus dem NSU-Skandal

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Geschichte und gegenwart rechter Gewalt
Konsquenzen aus dem NSU-Skandal

zu diesen Themen zwei spannende Veranstaltungen:
16.10. 2014 Vortrag von Andreas Speit

21.10.2014 Vortrag von Rolf Gössner

Im November dieses Jahres jährt sich die Aufdeckung des NSU zum drittenmal. Ein Anlass, über die Konsequenzen dieser Aufdeckung nachzudenken und auch ein Anlass, sich mit der Geschichte und Gegenwart der Neonazistischen Gewalt zu befassen.

Dem NSU werden eine Serie von neun rassistisch motivierten Morden in den Jahren 2000 bis 2006, das Nagelbomben-Attentat in Köln 2004 sowie der Polizistinnenmord von Heilbronn 2007 zur Last gelegt. Ein Sprengstoffanschlag in Nürnberg 1999, der Anschlag auf die Saarbrücker Wehrmachts-Ausstellung 1999, der Sprengstoffanschlag in einer Düsseldorfer S-Bahnstation 2000, ein Sprengstoffanschlag in der Kölner Probsteigasse 2001 wird ebenfalls mit dem NSU in Verbindung gebracht.

Vor zwei Jahren sagte die Ombudsfrau für die Terroropfer und ihre Angehörigen, Barbara John, die Aufklärung der Taten und der Behördenversäumnisse ziehe sich quälend hin und bringe Erkenntnisse über unvorstellbare Versäumnisse und die Vorurteilslastigkeit der Ermittler. „Das hat die Angehörigen schwer enttäuscht“.

Die genannten Versäumnisse führten zu Diskussionen über die Sicherheitsbehörden, es wurden Forderungen nach Abschaffung des Verfassungsschutzes laut, wenigstens eine Reform der Geheimdienste wurde von unterschiedlichsten Organisationen eingefordert.

Zwar wurden die Sicherheitsbehörden erwartungsgemäß nicht abgeschafft, aber es gab doch zumindest personelle Konsequenzen: Defizite wurden im „NSU-Ausschuss“ des Deutschen Bundestages sowie in einzelnen Bundesländern untersucht.

Am 16. Und 21. Oktober den Fragen nachgegangen, ob Konsequenzen aus dem NSU-Skandal gezogen wurden und – wenn ja – ob diese ausreichend sind.

Um das bewerten zu können, ist es unumgänglich, sich mit Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt auseinanderzusetzen. Denn sicherlich sind die Taten des NSU und das jahrelange Nichtwahrhabenwollen, dass die Täter Neonazis waren schon von besonders makaberer Qualität. Aber eben leider nichts Neues: Seit 1949 haben Rechtsextremisten immer wieder Terrorgruppen gebildet, die nach ähnlichem Muster agierten: konspirative Kleinstzellen, Raubüberfälle zur Geld und Waffenbeschaffung, Anschläge gegen Migranten, politische Gegner und gesellschaftliche Einrichtungen.

Am 16.10.2014 um 19:00 Uhr in Celle, Kreuzkirchengemeinde, Windmühlenstr. 45 wird Andreas Speit über das Thema „Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt“ referieren.
Er ist freier Journalist sowie Autor und Herausgeber diverser Bücher zum Bereich Rechtsextremismus.

Andreas Speit ist einer der Autoren und Mitherausgeber des Buches „Blut und Ehre“. In diesem wird anhand zahlreicher Ergebnisse jahrelanger Recherche mit der These vom „Terror-Trio“ aufgeräumt. Von über 130 Unterstützer_innen ist inzwischen auszugehen, darunter auch etliche „Informanten“ verschiedener Geheimdienste und Sicherheitsbehörden, von Polizei und Verfassungsschutz. Die Rolle von Nazinetzwerken von Blood & Honour bis Ku-Klux-Klan werden beleuchtet, die Geschichte des Naziterrors seit 1945 wird nachgezeichnet und damit wird deutlich, dass der NSU zwar eine besondere Stellung einnimmt, alleine weil er von 1998 bis 2011 unbehelligt Terroranschläge durchführen konnte, aber rechter Terror nichts Neues ist. Die Nazistrukturen von Sozialistischer Reichspartei (SRP) über Wehrsportgruppen, das Oktoberfestattentat bis zu den Brandanschlägen der 1990er Jahre werden detailliert dargestellt.

Am 21.10.2014 um 19:00 Uhr beschäftigt sich Rolf Gössner in Kunst & Bühne in Celle, Nordwall 46 mit dem Thema „Konsequenzen aus dem NSU-Skandal“ und beleuchtet die besondere Rolle der Geheimdienste innerhalb des NSU-Skandals
Er ist Rechtsanwalt und Publizist, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte Berlin.

Sein Thema ist: „Neonazis im Dienst des Staates - Zur heillosen Verstrickung des ′Verfassungsschutzes′ in rechtsextreme Szenen und Parteien“.
Ausgehend von der schockierenden Neonazi-Mordserie, die Ende 2011 ohne Zutun des Staats- und Verfassungsschutzes aufgedeckt wurde, widmet sich Rolf Gössner dem Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“, seiner braunen Vergangenheit und politisch-ideologischen Ausprägung sowie seinem unkontrollierbaren V-Leute-System, mit dem er Neonazi-Szenen und -Parteien unterwandert hat.
Der Referent berichtet aufgrund eigener Recherchen über die skandalöse Verstrickung des Verfassungsschutzes in gewaltbereite Neonazi-Szenen sowie über die geheimdienstlichen Versuche, kriminell gewordene V-Leute selbst gegen Ermittlungen der Polizei abzuschirmen. Und er untersucht, wie der Verfassungsschutz im Kampf gegen Rechts agiert, ob er in seiner Ausprägung als Inlandsgeheimdienst zum Schutz der Verfassung taugt oder mit seinen geheimen, schwer kontrollierbaren Methoden und Strukturen Fremdkörper ist in der Demokratie.
Aus seinem Befund formuliert Rolf Gössner politische Konsequenzen, die für Bürgerrechte und rechtsstaatliche Demokratie existentiell wichtig sind, und er vergleicht diese kritisch mit den aktuellen Reformschritten in Bund und Ländern.

Ob als eine Konsequenz des NSU-Skandals eine größere Wachsamkeit der Zivilgesellschaft zu verzeichnen ist, diese Frage ist zu diskutieren. Bei den Veranstaltungen wird Zeit sein, um darüber zu sprechen, ob wir alle genauer hinschauen, wenn Taten dem Muster von rechter Gewalt entsprechen? Widersprechen wir, wenn es bei entsprechenden Taten sofort heißt, ein rechtsextremistischer bzw. fremdenfeindlicher Hintergrund sei nicht zu erkennen? Sind wir kritischer geworden oder ist dem Entsetzten vor drei Jahren Gleichgültigkeit gefolgt?

Kein Zutritt für Mitglieder und Sympathisanten von Parteien oder Gruppierungen der extremen Rechten, Personen, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische oder antisemitische Äußerungen in Erscheinung getreten sind.

Der Eintritt ist frei.

Veranstalter: Diakonisches Werk Celle, Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus, Arbeitskreis Ausländer