Drucken

Eschede am 22.12.2018

am .

Rede auf Kundgebung vom Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus und niedersächsischen Flüchtlingsrat


Hallo Liebe MitstreiterInnen.

Wir treffen uns heute hier, um gegen die Nazitreffen auf Hof Nahtz zu demonstrieren, das ist auch richtig so. Es reicht! Jedes Nazitreffen ist eines zuviel!

Am 10.12.2018 jährte sich zum 70. Mal die Unterzeichnung der Erklärung der allgemeinen Menschenrechte. Seit Mitte der 1990er Jahre ertrinken Menschen bei der Flucht.
Statt zu helfen werden die europäischen Außengrenzen massiv geschützt und zivile Seenotrettung kriminalisiert.

Nächtliche Abschiebungen, Trennung von Familien, Missachtung von Schutzzonen, Wiedereinführung des Gutscheinsystems: Seit Horst Seehofer Bundesinnenminister ist, wird das Leben für Geflüchtete in Deutschland immer rauer.

Das alles ist ein Skandal und nicht länger hinnehmbar.
Wir müssen aufmerksam bleiben und werden, was landauf und landab pas-siert.

Z. B. ein Fall aus Saalfeld in Thüringen: Am 10. Oktober um 2 Uhr nachts kamen Polizisten in den Kreißsaal des Krankenhauses, um einen abgelehnten Asylbewerber aus der Elfenbeinküste nach Italien abzuschieben, während seine Frau dort das gemeinsame Kind gebar. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge argumentierte, es bestehe nach deutschem Recht kein „familiäres Verhältnis“, weil das Paar nicht offiziell verheiratet ist. Hebammen verhinderten die Abschiebung letztlich.

Ein Flüchtling berichtet: Ich hatte Angst um mein Leben, hier bei uns im Landkreis Celle. Im November 2018, um 2.00 Uhr betraten nach Angaben des Betroffenen sechs Uniformierte sowie Mitarbeiter der Ausländerbehörde und der Kommune sein Zimmer. Er hat gerade geschlafen. Sie haben ihn geweckt und mitgeteilt, dass er nach Italien abgeschoben werden soll. Er wurde aufgefordert, seine Sachen zu packen. Dies hat er verweigert und darauf hingewiesen, dass er krank ist und Medikamente einnehmen müsste. Dies führte dazu, dass ihm Handschellen angelegt wurden. Er konnte dann noch die Unterlagen der psychiatrischen Klinik vom Oktober 2018 vorlegen. Im Entlassungsbericht wird als Diagnose benannt „Anpassungsstörung mit akuter Suizidalität“ und er hat das Medikament, was er einnehmen soll vorgelegt. Dies hat er den uniformierten Beamten gegeben und er hörte, dass es zu einem Gespräch unter den Beamten gekommen ist und die ihm dann mitgeteilt haben, dass er nicht nach Italien abgeschoben wird, woraufhin dann die Mitarbeiterin der Ausländerbehörde Landkreis Celle auf die Abschiebung bestand und sowohl den Entlassungsbericht der Klinik, als auch weitere ärztliche Unterlagen und die Medikamente dem betroffenen Flüchtling weggenommen hat und sich dahingehend geäußert hat „Der ist nicht krank, er ist gesund“, woraufhin dann wieder von Seiten der Beamten die Abschiebeaktivitäten forciert wurden. Er wurde nochmals aufgefordert, seine Sachen zu packen. Er war dazu dann bereit, ihm wurden die Handschellen abgenommen. Seine Schuhe waren nicht in dem Raum, so dass er sie erst beschaffen musste. Er bat darum, den Raum zu verlassen, wollte dies durchführen, woraufhin er von einem Beamten geschubst wurde, der sehr groß und stark gewesen ist. Dabei stürzte der Flüchtling und hat sich mehrere Verletzungen zugezogen, Prellungen und leichte Wunden. Der Beamte ließ dann von ihm ab und sie ermöglichten ihm, seine Schuhe zu holen. Vorher wurden ihm noch sein Handy und seine Brieftasche abgenommen.
Er konnte dann den Raum verlassen, was er dazu nutzte, wegzulaufen. Er berichtet: „Ich hatte Angst um mein Leben“. Es sind mehrere Personen hinter ihm hergelaufen. Es war eine längere Zeit, in der sie ihn verfolgt haben und er berichtete dann weiter, dass sie wohl dreimal hinter ihm hergerufen haben, dass er zurückkommen soll. Sie wollen ihn nicht mehr nach Italien abschieben. Dieser Aufforderung ist er jedoch nicht nachgekommen.
Zu einem späteren Zeitpunkt am gleichen Tag ist er dann wieder in sein Zimmer gegangen und hat sich schlafen gelegt. Um 9.00 Uhr des gleichen Tages waren dann wieder Polizeibeamte gekommen. Es muss sich dabei um Polizeibeamte aus der Polizeidienststelle Celle gehandelt haben. Er hat geschlafen sie weckten ihn und haben Handschellen angelegt. Er wurde zur Polizeidienststelle nach Celle gebracht. Dort sollte er Papiere unterschreiben, dies hat er jedoch nicht gemacht. Er hat nicht verstanden, um was für Papiere es sich dabei handelt. Seine Brieftasche und sein Handy wurden ihm dann ausgehändigt. Er konnte um 13.00 Uhr die Polizeidienststelle verlassen. Sie haben ihn freundlich gefragt, ob er noch Fragen hat und er konnte gehen.
Der Betroffene ist zur Ausländerbehörde und wollte die Mitarbeiterin, die ihm seine Unterlagen von den Ärzten abgenommen hat und die die Tabletten abgenommen hat, sprechen, um seine Sachen wieder zu erhalten. Nach Angabe der Ausländerbehörde war die Mitarbeiterin nicht da und andere fühlten sich nicht zuständig. Erst nach längerem Aufenthalt in der Ausländerbehörde wur-de ihm mitgeteilt, dass die zuständige Mitarbeiterin 14 Tage im Urlaub sei. Er wurde aufgefordert die Ausländerbehörde zu verlassen.

Das ist institutioneller Rassismus, leider kein Einzelfall und stetig zunehmend, landauf und landab.

Ein Rechtsanwalt scheibt an seinen Mandanten zum Thema Abschiebung nach Italien:
Juni 2018
„In der vorbezeichneten Angelegenheit überreiche ich in der Anlage den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg zu Ihrer Kenntnisnahme.
Ich bedaure, dass das Verwaltungsgericht Lüneburg an seiner Rechtslinie festhält und unseren Antrag zurückweist. Obwohl mittlerweile in Italien eine Regierung von Rassisten und Faschisten zustande gekommen ist, schiebt die Bundesrepublik Deutschland gesetzwidrig weiterhin nach Italien ab, insbesondere in der letzten Zeit, seitdem Seehofer versucht, die Macht in der Regierung zu übernehmen und Ausländer an der Grenze zurückweist. Dies ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg.
Man versucht an Stelle von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie die Mehrheit der Radikalen und Rechten als Wähler zu gewinnen. Selbst allein diese Tat ist eine sehr schlechte Antwort auf die Ereignisse des zweiten Weltkrieges.
Ich bedaure Ihnen keine andere Mitteilung machen zu können.“

Getrieben von der AfD versucht vor allem die Union mit den Themen Migration/Asyl Stimmen zu gewinnen Und der Koalitionspartner SPD macht die ganze Rechtsverschiebung auf Bundesebene mit.
Ich erinnere: Friedrich Merz, im November 2018, Abschaffung Grundrecht auf Asylrecht.
Tatsächlich hatte Deutschland einst ein sehr weitgefasstes Asylrecht: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Punkt. So stand es bis 1993 im Grundgesetz, dann wurde im sogenannten Asylkompromiss zwischen Union und SPD der Artikel 16a geschaffen. Da steht jetzt zwar noch immer dieser eine, klare Satz, aber danach folgen mehrere Absätze mit Festlegungen, wer sich eben nicht auf diesen ersten Satz berufen darf. Kurz gesagt: Nur noch jene Menschen dürfen sich in Deutschland aufs Asylrecht berufen, die nicht aus sicheren Drittstaaten einreisen.
Die Übergriffe in Lichtenhagen, sie stehen im Zusammenhang mit der Änderung des Grundrechts auf Asyl. Auch damals haben Politiker und Medien durch populistische Kampagnen die Stimmung gegen Ausländer angeheizt und so Ausschreitungen wie denen in Rostock-Lichtenhagen den Boden bereitet. Weit verbreitet wird davon ausgegangen, dass die Entwicklung hin zu den Ausschreitungen bewusst zugelassen oder sogar geplant wurde, um eine Änderung des Grundrechts auf Asyl politisch durchzusetzen.
Die meisten Schutzsuchenden erhalten heute Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder einen eingeschränkten, sogenannten subsidiären Schutz, eine Duldung oder müssen das Land wieder verlassen.
Das individuelle Grundrecht auf Asyl ist und bleibt eine große zivilisatorische Errungenschaft nach der Nazi-Herrschaft und ihren Folgen. Wir sollten es verteidigen.

Immer öfter werden Parolen und Zerrbilder der extremen Rechten übernommen und damit die Fundamente des Rechtsstaates unterminiert. Es wird aus egoistischen, machtpolitischen Gründen provoziert und auf Stimmenfang gegangen.
Rassistische Hetze statt soziale Politik, das ist eigentlich das miese Geschäft der AfD, da macht aber auch unser Oberbürgermeister in Celle mit.

Auf einer Anfrage der AfD vom 18.04.2018 zur aktuellen Situation mit straffälligen ausreisepflichtigen Zuwanderern reagiert der Oberbürgermeister der Stadt Celle Dr. Nigge in der Mitteilungsvorlage Nr. AN/0102/18-1 vom 06.09.2018 dahingehend, dass er in sehr diffamierender Form u. a. neben der Härtefallkommission die Arbeit des Landtages als „Abschiebeverhinderer“ darstellt.
Prekär ist zusätzlich, und das ist ein riesen Skandal, dass der Oberbürgermeister der Stadt Celle die Anfrage dazu nutzt, weitere eigene Ausführungen und subjektive spekulative Einschätzungen über ausreisepflichtige Flüchtlinge zu geben, obwohl sich die Anfrage in keiner Weise darauf bezieht, warum Geflüchtete nicht abgeschoben werden können samt der Unterstellung, dass die Menschen lügen würden, um bleiben zu dürfen.
Die Ausführungen des Oberbürgermeisters Dr. Nigge sind ein Generalangriff auf menschenrechtliche Standards im Umgang mit Geflüchteten.
Dies wird mit rassistischen Elementen bestückt. So lautet es u. a. in der Mitteilungsvorlage „In zahlreichen Fällen zeigt sich jedoch, dass sich renitentes Verhalten für die abzuschiebende Person zur Verhinderung der Abschiebung lohnt.“ Es werden unhaltbare Aussagen wie eine „nicht unerhebliche Anzahl“ von Geflüchteten wird aus medizinischen Gründen geduldet. Darunter fielen Menschen, die „am Tag der durchzuführenden Abschiebung ohne vorheriges Indiz einen Anfall, Herzattacke oder ähnliches vorspielen scheinen“. In der Presse wird behauptet das es ärztlichen Gefälligkeitsgutachten gibt.
Es werden u. a. psychiatrische Kliniken, Anwälte, Beratungsstellen, die Härtefallkommission des Landes Niedersachsen in massivster Form diskreditiert und schlicht den Flüchtlingen Rechte abgesprochen.
Die Ausführungen des Oberbürgermeisters sind böswillig und verächtlich und es wird die Menschenwürde anderer angegriffen. Ein Oberbürgermeister müsste wissen, dass fast alle der in der Mitteilungsvorlage genannten ausreisepflichtigen Flüchtlinge durch unseren Rechtsstaat eine garantierte Berechtigung haben, sich in Deutschland aufzuhalten. Dass allen Menschen der Rechtsweg offensteht, ist eine Errungenschaft unseres Staates gerade auf Grund der Geschichte unseres Landes.
Die unterschwellige Behauptung, dass diese Personen das Asylrecht missbrauchen, ist schlichtweg eine unhaltbare, unserer Gesellschaft und Demokratie schädigende Behauptung.
Die Mitteilungsvorlage ist eine massive Stimmungsmache gegen Flüchtlinge, da verschwiegen wird, dass Härtefalleingaben, Eingaben beim Landtag und ähnliches die Vollziehung der Abschiebung aussetzt. Wenn ein Flüchtling die Härtefallkommission anruft, eine Eingabe beim Landtag durchführt, ist dies doch wohl ein Teil unseres rechtsstaatlichen Zusammenlebens.
Der Oberbürgermeister blinkt scharf rechts, ohne sich auf die schmutzige Seite der Straße zu begeben
Anmerken möchte ich, dass in einer Antwort der Landesregierung am 26.11.2018 auf eine Anfrage zum Thema ärztliche Gefälligkeitsgutachten, wie folgt festgestellt wird:
„Der Landesregierung sind keine Fälle berichtet worden, in denen ärztliche Gefälligkeitsgutachten vorgelegt worden sein sollen, um Abschiebungen zu verhindern.“

Von der Barbarei in der Sprache zur psychischen und physischen Gewalt es ist nur noch ein kleiner Schritt.
 „Rückführung, Rückführung und nochmals Rückführung“ mahnte Angela Merkel im September 2016.
Doch aus verschiedenen, rechtlichen aber auch praktischen und politischen Gründen, kann die Zahl der Abschiebungen nicht einfach beliebig nach oben geschraubt werden. Folge ist, dass neue Abschiebeknäste errichtet wurden, Gesetze geändert wurden, um den Betroffenen die Abschiebungen nicht mehr ankündigen zu müssen, zentrale Abschiebeeinrichtungen wurden geschaffen und viele weitere Verschärfungen.
Die Zahl der Haftfälle hat sich zwischen 2015 und 2017 von 1.813 auf 4.089 mehr als verdoppelt, obwohl sich die Zahl der Abschiebungen nur geringfügig verändert hat. Diese Entwicklung ist erschreckend und passt leider ins Bild einer Politik der maßlosen Steigerung von Abschiebungen und erzwungenen Ausreisen um jeden Preis, „Es gibt ganz klar eine härtere Linie, sowohl bei der Haft als auch bei der praktischen Umsetzung von Abschiebungen“, sagt Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl. Auch die EU-Kommission habe die Linie ausgegeben, dass mehr abgeschoben werden müsse „und Deutschland liefert“, sagt Kopp. „Die Devise lautet Vollzug um jeden Preis, entsprechend beobachten wir eine Brutalisierung.“
Verhaftung in der Ausländerbehörde, ohne die Möglichkeit persönliche Dinge mitzunehmen oder seinen Rechtsanwalt zu informieren, das ist in Deutschland nicht möglich, das dachte ich.
So berichtet mir ein Flüchtling, dass er, als er seine Bescheinigung bei der Ausländerbehörde Landkreis Celle verlängern wollte in Haft genommen wurde.
Er schildert die Situation in der Ausländerbehörde Landkreis Celle wie folgt: Ich war bei der Ausländerbehörde, weil ich meine Bescheinigung verlängern lassen musste. Es war um 9.00 Uhr morgens. Als ich ins Büro gegangen bin wurde ich gebeten zu warten. Von der Mitarbeiterin wurde ein Telefonat geführt und ich konnte hören, dass die Mitarbeiterin dort fragte, Herr H. ist da, was sollen wir tun.
Danach wurde ich aufgefordert, im Flur zu warten. Dabei habe ich dann mitbekommen, dass ein anderer Mitarbeiter der Ausländerbehörde bei der Polizei angerufen hat. Nach kurzer Zeit wurde ich dann aufgefordert, in das Büro zu kommen. Es war ein männlicher Mitarbeiter, zu dem ich gehen musste und ich wurde aufgefordert, dort zu warten. Nach ca. 20 Minuten kam dann die Polizei. Ich wurde dann in die Polizeidienststelle in Celle in die Jägerstraße gebracht. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde mir in keiner Weise erzählt, worum es geht. Von der Polizei wurde mir gesagt, dass ich am folgenden Tag dem Richter vorgeführt werde. Ich bat darum, meinen Rechtsanwalt anrufen zu dürfen. Dies wurde mir verweigert. Am folgenden Tag wurde ich zum Amtsgericht Celle ge-fahren und dort wurde entschieden, dass ich in die Abschiebehaft nach Lan-genhagen gebracht werden. Erst nachdem vier Tage vergangen sind habe ich die Möglichkeit erhalten, zu telefonieren und konnte dann telefonisch einen Bekannten darum bitten, dass er sich um einen Rechtsanwalt für mich kümmert. Beim Amtsgericht Celle wurde mir seinerzeit mitgeteilt, dass ich innerhalb der nächsten 8 Wochen nach Italien abgeschoben werde und so lange die Haft angeordnet wird.
Mein Rechtsanwalt hat dagegen Beschwerde eingelegt, woraufhin dann das Amtsgericht Celle zehn Tage später mir mitteilte, dass der Sicherungshaftbeschluss auf Antrag der Ausländerbehörde Landkreis Celle aufgehoben wurde.
Mein Rechtsanwalt erklärte mir diesen Beschluss des Amtsgerichts dahingehend, dass die Ausländerbehörde Landkreis Celle erkannt hat, dass sie rechtswidrig gehandelt hätte und die ganze Sache unzulässig gewesen sei.
Dies ist kein Einzelfall, so z.B. auch in Emden und Göttingen geschehen.
Es wird Angst und Schrecken verbreitet. Die Ausländerbehörde hat das menschenverachtende Signal gesetzt, das Schutzsuchende bei jedem Besuch der Ausländerbehörde die Angst haben müssen in eine Falle zu laufen, in Haft genommen zu werden.
Ein Rechtsanwalt aus Hannover führt seit Jahren eine Statistik, demnach sind knapp 50 Prozent seiner Mandantinnen rechtswidrig inhaftiert worden.

Die Repressalien der Behörden sind sehr vielseitig.

Mir sind viele Fälle im Landkreis Celle bekannt, in denen die Behörde willkürlich die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gekürzt hat. Das bedeutet, dass dem Betroffenen nicht mehr 354,00 €, womit er seinen monatlichen Lebensunterhalt bestreiten muss, ausgezahlt wird, sondern lediglich nur noch 174,11 €. Davon müssen Lebensmittel, alles was täglich benötigt wird gekauft werden, die Stromkosten und sehr oft der dringend benötigte Rechtsanwalt, stellt euch das mal vor 174,11 Euro monatlich.
Der Regelsatz für Sozialleitungsempfänger beträgt 416,00 Euro und das ist auch viel zu wenig.
Selbst Hinweise des Betroffenen als auch von Beratungsstellen, dass dieses Verfahren rechtswidrig und unzulässig ist, führen nicht zur Einsicht der Behörden, von ihrem rechtswidrigen Handeln Abstand zu nehmen. Erst durch die Einleitung von Rechtsschutzverfahren beim Sozialgericht Lüneburg wird dann durch die Behörde der offensichtlich rechtswidrige Verwaltungsakt aufgehoben.
Es ist zu vermuten, dass dieses Handeln durch institutionellen Rassismus geprägt ist und bewusst Kürzungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz durchgeführt werden mit dem Hintergedanken, dass viele der Betroffenen den Rechtsweg über das Sozialgericht Lüneburg nicht gehen, weil sie es sich nicht leisten können.
Ein anders Beispiel des Rechtsbruchs ist das Melden als untergetaucht. Dies verlängert die Überstellungsfrist von 6 Monate auf 18 Monate. Mir persönlich sind mehrere Fälle bekannt, wo ich mich verbürgen kann, dass keine Situation des Untergetauchtseins vorlag.
In diesen Fällen ergibt sich dann folgendes Bild: Durch die Ausländerbehörde wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darüber unterrichtet, dass die Ausländerbehörde davon ausgeht, dass der Betroffene untergetaucht ist und es wird dadurch veranlasst, dass die Überstellungsfrist sich verlängert. So gibt es z. B. in diesem Bereich eine Entscheidung des Nieders. Oberverwaltungsgerichts, 13 ME 442/17, dass die Verfahrensweise der Ausländerbehörde Landkreis Celle unzulässig ist, woraufhin erst dann von der Ausländerbehörde mitgeteilt wird „Eine Überstellung im Rahmen des Dublin III-Verfahrens findet nicht mehr statt“. Natürlich ist der Betroffene in diesem Fall auch wieder darauf angewiesen, rechtsanwaltliche Unterstützung einzuholen. Dies kostet Geld und dies haben viele Flüchtlinge nicht.
Nennen wir es beim Namen. Das ist alles mindestens psychische Gewalt, es werden zwar keine sichtbaren Wunden hinterlassen, aber umso größere emotionale Narben, die sich in der Seele eingraben. Ist das Folter im 21. Jahrhundert?

Bei Flüchtlinge aus Afghanistan setzten manche Bundesländer offensiv auf Härte:
Im Mai hatte das Auswärtige Amt seinen neuen Lagebericht verfasst, der eine wichtige Grundlage für die Bewertung der Zulässigkeit von Abschiebungen nach Afghanistan ist. Die Bundesregierung hatte diesen Lagebericht so interpretiert, dass es „innerstaatliche Fluchtalternativen“ und gesunde junge alleinstehende Männer durchaus nach einer Abschiebung in Kabul leben und auch über die Runden kommen können.
Genau das hatte das UN-Flüchtlingswerk UNHCR zuvor bestritten. Nach Auffassung des UNHCR kann in Kabul nach einer Abschiebung nur leben, wer dort Angehörige hat. Einige Bundesländer machten sich aber die Interpretation der Bundesregierung zu eigen und schieben seither offensiver nach Afgha-nistan ab. Das Bundesland Hamburg hat Jamal M. abgeschoben, ohne ihn zuvor untersuchen zu lassen. Jamel M. war einer von „Seehofers 69“ – jenen 69 Afghanen, die an Seehofers 69. Geburtstag abgeschoben wurden, was dieser stolz auf einer Pressekonferenz verkündet hatte. Jamel M. 23 Jahre erhängte sich Anfang Juli direkt nach der Ankunft in Kabul.
Immer mehr treten in die Fußstapfen des biedermännlichen Brandstifters Seehofer. Das wird die politische Stimmung weiter vergiften und ist unverantwortlich.
Rassistische Hetze statt soziale Politik, das ist eigentlich das miese Geschäft der AfD, dies ist in anderen Parteien und in Medien jedoch auch Salonfähig geworden.
Es ist beängstigend zu beobachten, dass die Ankündigung Gaulands, „wir werden sie jagen“, sich bei Thema Migration/Asyl tatsächlichen zu verwirklichen scheint, dies vor allem deshalb, weil es immer wieder unverantwortliche PolitikerInnen jenseits der AfD gibt, die das rassistische Spielchen mitspielen und meinen, sie könnten dabei etwas für sich gewinnen.

Auf Sizilien sind am 24.11.2018 236 Migranten aus Eritrea angekommen, die nach Angaben der italienischen Regierung eigentlich von der maltesischen Küstenwache gerettet werden müssten. Ein maltesisches Patrouillenboot hat nach Angaben des italienischen Innenministers einfach den Kurs gewechselt und mitten im Mittelmeer das Schlauchboot der Migranten in Stich gelassen.
Die Regierungen in Europa dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen, indem sie Grenzen schließen und Menschen in Not abwehren. Die Europäische Union braucht Humanität in der Flüchtlingspolitik, nicht Härte und Auslagerung. Es ist völkerrechtswidrig, Menschen in Seenot nicht zu retten. Es ist unverantwortlich, Menschen monatelang in Lagern festzuhalten, andere Staaten für die Abwehr von Flüchtlingen zu bezahlen und gefährliche Herkunftsstaaten für sicher zu erklären. Diese Abschottung schreitet seit Jahren voran und höhlt das internationale und europäische Flüchtlingsrecht aus. Dabei wissen wir aus der Geschichte: Erst stirbt das Recht, dann stirbt der Mensch.
Folge der fatalen Politik der Festung Europa sind bis zum 30.09.2018 mehr als 35.597 dokumentierte Todesfälle. Stellt euch das einmal vor, das ist die Hälfte der Bevölkerung der Stadt Celle, jeder zweite ist tot. Die Dunkelziffer ist viel grösser, es werden Zahlen erreicht, die vergleichbar damit sind, dass der ganze Landkreis Celle ausgelöscht ist.
Was ist das? Mord, fahrlässige Tötung, ja mindestens dürfte es unterlassene Hilfeleistung sein. Ein Straftatbestand.

Diese Flüchtlingspolitik hat keine gute Zukunft. Diese Politik bedroht nicht nur die Flüchtlinge, sie setzt auch unsere eigene Humanität und Würde aufs Spiel, wir sind mehr denn je gefragt uns dagegen zu wehren. Die Kampagnen gegen jene, die sich für Flüchtlinge einsetzen, zeigen: Moral wird verunglimpft und Menschlichkeit kriminalisiert.
Während weltweit immer mehr Menschen auf der Flucht sind, werden die Abwehrmaßnahmen gegen Schutzsuchende stetig verschärft, Abschiebung, Festsetzung und Isolierung in Lagern, so lautet die Antwort angesichts der Menschen, die vor Gewalt, Unrecht und Unterdrückung fliehen. Es ist ein Einsperren und Isolieren Schutzsuchender, dies muss ein Ende haben.
Ich bitte euch, schaut euch das Ankunftszentrum, das nichts anderes ist als ein Ankerzentrum, in Bad Fallingbostel an, oder das Lager in Celle, Hohe Wende, wollen wir so was?
Die Lager Celle, Bad Fallingbostel und anderswo müssen aufgelöst werden.

Ein Flüchtling hat mir folgenden Bericht zur Verfügung gestellt:
Ich bin 21 Jahre alt. Im Februar 2018 wurde ich von Deutschland nach Italien auf Grund des Dublin-Abkommens abgeschoben an einem sehr kalten Tag, was schlecht für mich war. Ich kam um 11.00 Uhr beim Flughafen Mailand an, dort nahm mir die Italienische Polizei meine Fingerabdrücke ab. Sie hießen mich willkommen, aber sie hatten keinen Platz für mich wo ich bleiben konnte und sie sagten, ich könne zurückgehen nach Sizilien, dort war ich ja schon einmal. Da ich für ein Jahr und einige Monate außerhalb Italiens war, war ich total verunsichert, wie ich mein Leben neu beginnen könnte.
Ich musste leiden, als ich auf der kalten Straße von Mailand schlafen musste. Ich fühlte mich so schlecht, ich fühlte mich deprimiert, ich fühlte mich als würde ich langsam sterben an Kälte und Verzweiflung.
Mit dem bisschen Geld was ich hatte, konnte ich nicht nach Sizilien kommen. Ich brauchte es um Essen für ein paar Tage zu kaufen.
Eines nachts beschloss ich, wegen des heftigen Schneefalls in einen Zug zu steigen und ohne Ticket zurück nach Deutschland zu fahren. Ich wurde in Österreich von der Polizei festgenommen, weil ich ohne Dokumente unterwegs war. Sie haben mich ins Gefängnis gebracht für zwei Monate. Danach schoben sie mich wieder nach Italien ab.
Irgendwie habe ich es dann geschafft, nach Sizilien zu kommen. Ich bat um einen Platz wo ich bleiben konnte, aber sie weigerten sich, mir einen Platz zu geben, an dem ich bleiben konnte. Ich schlief wieder fast einen Monat draußen in der Kälte, also habe ich mich schließlich für eine Rückkehr nach Deutschland entschieden, weil nur hier habe ich die Hoffnung auf Leben.
Ich kam nach Europa um mein Leben zu retten, nicht um zu sterben.

Erinnern wir uns. Ein Populist verspricht 1933 Deutschland den Deutschen. Fortan wurde mit harter Hand durchgesetzt, was angeblich Wille des deutschen Volkes sei. Zwölf Jahre später lag Deutschland in Trümmern, tausende Oppositionelle und Millionen Juden waren ermordet, Zigmillionen weitere dem Weltkrieg zum Opfer gefallen.
Um sich solcher Mordlust und Willkür zu wehren, verkündeten die vereinten Nationen Ende 1948 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Fünf Monate später trat das bundesdeutsche Grundgesetz in Kraft. Artikel eins:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.
Die Würde des Menschen ist unantastbar, ich frage euch, was ist davon geblieben?

Lasst uns auch nach dem heutigen Tag weiter streiten gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und soziale Ungerechtigkeit. Lasst uns einstehen für eine Welt, in der alle ihren Platz finden können und in der Menschenrechte wirklich unteilbar sind.

Horst-Peter Ludwigs