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21.12.2019

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Rede Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus
bei Demo in Eschede gegen die Nazitreffen

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Unterstützerinnen und Unterstützer, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,

ich freue mich, dass Ihr alle gekommen seid, dass wir heute so viele sind, aus nah und fern und dieses mal auch viele aus Eschede.

Das zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass Ihr alle es auch notwendig findet, den Protest dahin zu tragen, wo er hingehört, hier vor den NPD-Hof.

Seit über 30 Jahren dient der Hof der Naziszene als Treffpunkt, als Versammlungsort. Von Nazikonzerten über ein Treffen der HDJ über Wehrsportübung hin zu diversen NPD-Treffen wie z.B. sog. Stützpunktgründungen oder auch ein Landesparteitag Niedersachsen. All diese Gruppen und Personen fanden bei Nahtz einen sicheren Ort für ihre Treffen.

Seit 2007 demonstrieren wir regelmäßig gegen die Nazi-Treffen auf Hof Nahtz.

Wir haben uns weder vom Wetter noch von Gerüchten aufhalten lassen. Mit Gerüchten meine ich, dass es hieß, es können keine Nazitreffen mehr stattfinden, weil Nahtz Wiesen verkauft hätte bzw. der Pachtvertrag für eine große Wiese, die er für seine Feiern nutzte, gekündigt wurde.

Unsere Einschätzung war stets – und daran hat sich nichts geändert – dass Nahtz nicht aufhört, dass er ein überzeugter Neonazi ist, dass sein Hof von großer Bedeutung für die Szene ist, die hier ungestört und ungehindert zu allen möglichen Treffen zusammenkommen kann.

Und wir sollten leider recht behalten: Auch wenn ein paar Treffen ausfielen, so zeigt sich spätestens seit diesem Jahr, dass wir wohl mit weiteren Nazizusammenkünften rechnen müssen. Sicher ist es im Moment so, dass die NPD gerade nicht auf dem Höhepunkt ihres Erfolges ist. Andere bedienen reaktionäre, rassistische ausgrenzende Ressentiments deutlich erfolgreicher. Aber die NPD versucht sich neu aufzustellen, sie träumt von besseren Zeiten, in denen sie DIE Rechte Kraft im Lande ist, und um sich darauf vorzubereiten, nutzen sie den NPD Hof hier in Eschede.

Da kam es ja gerade recht für sie, dass sie den Hof dieses Jahr kaufen konnten. Die Umstände dieses Verkaufs sehen wir kritisch, da wir denken, dass nicht alles getan wurde diesen Verkauf zu verhindern, sondern vielmehr alles getan wurde den Verkauf unter den Teppich zu kehren.
In der Antwort der Landesregierung einer Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Der Grünen in Niedersachsen steht beispielsweise, dass die Polizeiinspektion Celle am 09.05.2019 Kenntnis über den Verkauf des Hofs erlangte und am folgenden Tag u.A. den Landkreis Celle und die Gemeinde Eschede informiert hat.

Wenn ich das richtig verstehe, hat die Polizei Celle erst die Behörden aufmerksam machen müssen, die es eigentlich längst hätten wissen müssen. Es ist kaum vorstellbar, dass die Verwaltung in Eschede von dem Verkauf nicht vorher Kenntnis hatte und aus Gründen, über die wir nur spekulieren können, das Problem nicht offen kommuniziert hat. Die Folge ist nun, dass Entsetzen und Misstrauen entstanden ist.

Währenddessen macht sich die NPD ihr neues Domizil zurecht.

Im Oktober dieses Jahres tummelten sich mehrmals NPD-ler auf „ihrem“ Hof. Manfred Dammann von der NPD sagt, dass die NPD „dieses Eschede zu einem Gemeinschaftszentrum ausbauen“ will. Sie nennen es Arbeitseinsatz für ein „Projekt nationales Niedersachsen in Eschede“. (NPD-Landesverband Niedersachsen auf facebook)
Von anderer Seite war zu hören, dass sie neue Toiletten in einem Nebengebäude eingebaut haben.

Ich finde es etwas großmäulig von der NPD gleich ganz Eschede zu einem Gemeinschaftszentrum ausbauen zu wollen, aber immerhin meldete die NPD tatsächlich für heute eine Demonstration an, mit Feuertöpfen und Bengalos wollten sie mit 5 – 80 Personen von 14.30 Uhr bis 20.00 Uhr durch Eschede ziehen und 5 Standkundgebungen abhalten. So, als würden sie tatsächlich Eschede als ein nationales Projekt begreifen. Letztlich war es nun eine Demo mit wenigen Leuten von 12.30 Uhr bis 14.00 Uhr, die nur bis zur Kreuzung Zum Finkenberg / Im Dornbusch kam.

Wir würden gerne sagen: wehrte den Anfängen, aber das ist leider zu spät. Also sagen wir: Escheder*innen wehrt Euch. Lasst nicht zu, dass Nazis Eschede zu einem nationalen Projekt machen.

Stellt Euch gegen die Nazis, lasst sie nicht denken, dass sie hier gerne gesehen werden. Schließt Euch unserem Protest weiter an oder macht selber etwas, dass laut und sichtbar den Nazis signalisiert, dass sie in Eschede nicht erwünscht sind.

Dass heute hier so viele Menschen gekommen sind, um gegen die NPD zu demonstrieren, auch so viele Eschederinnen und Escheder, und dass von Eschederinnen und Eschedern selber Protestformen entwickelt werden ist gut. Ich hoffe es liegt nicht nur daran, dass Nazis heute durchs Dorf marschieren wollte, sondern dass Euch und Ihnen die Bedeutung des NPD-Hofs hier bewusst ist und die Gefahren, die von ihm ausgehen. Und ich hoffe, dass der Protest hier vor Ort nachhaltig und deutlich wahrnehmbar ist.

Hier nur wenige Kilometer entfernt von Bergen Belsen entfernt wollen Neonazis sich ertüchtigen für eine Zeit, in der sie meinen das Sagen zu haben. Das Bundesverfassungsgericht attestiert der NPD Verfassungsfeindlichkeit, es sagt: „Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) vertritt ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept. Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Die NPD arbeitet auch planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele hin.“

Dieses planvolle Arbeiten also findet hier in der Nähe von Bergen-Belsen statt.
Und was passiert? Die Partei wird nicht verboten, weil sie zwar Nazis sind aber im Moment halt nicht so viele und keine Bedeutung hätten. Der Nahtzhof wird an die NPD verkauft, aber keine*r konnte / wollte daran was ändern, und darüber reden wollte man am liebsten auch nicht.

Aber denjenigen, die immer mit dabei sind, wenn über Nazis informiert wird, wenn gegen sie demonstriert wird, nämlich u. A. Attac und der VVN-BdA wird im November die Gemeinnützigkeit entzogen. Diese Entscheidung gefährdet die Existenz der Organisationen, die VVN muss nun bis zum Ende des Jahres Steuern in fünfstelliger Höhe zurückzahlen.

"Das Haus brennt - und Sie sperren die Feuerwehr aus!", hat Esther Bejarano, eine 95-jährige Auschwitzüberlebende, eine in der VVN Aktive unermüdliche Kämpferin gegen Neonazis, an Olaf Scholz in einem Brief wegen dieser Sache geschrieben.

Der Versuch, den Widerstand der Zivilgesellschaft zu schwächen zieht sich durch: Exit sollten die Gelder gekürzt werden, Demokratie leben“ ebenso. Nur lautstarker Protest konnte das schlimmste verhindern.

Und das, obwohl in diesem Jahr von Januar bis August 2019 nach Informationen des Tagesspiegels bereits knapp 12.500 Straftaten von Neonazis und anderen Rechten registriert wurden, also Delikte „mit politisch rechts motiviertem Hintergrund“. Das teilte das Bundesinnenministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) und ihrer Fraktion mit.
Darunter seien 542 Gewalttaten gewesen. Mindestens 250 Menschen wurden bei Angriffen von Rechtsextremisten verletzt. Drei Angriffe wertet die Polizei als versuchte Tötungen.
Wie gesagt, das sind nur die offiziellen Zahlen bis August und dabei sind weder der Lübcke-Mord noch der Halle-Anschlag schon in der Statistik verzeichnet.

Das alles sagt mir, dass Neonazis und Rassisten sich rüsten, die einen in den Parlamenten, die andern z. B. hier auf dem Hof. Und es sagt mir, dass wir nicht darauf hoffen können, dass sich Behörden und politisch Verantwortliche angemessen damit auseinandersetzen.

Ohne Druck von „unten“, also von uns, schon mal gar nicht.

Druck von „unten“ geht am besten gemeinsam. Wenn ich lesen muss, dass unsere Demonstrationen als Verkehrsproblem in Eschede gesehen werden und wenn ich die Bemerkung lesen muss, dass ein sichtbarer Erfolg bisher ausgeblieben sei, dann möchte ich dazu folgendes sagen:

Wir haben auch das Nazizentrum in Hetendorf 1998 nicht persönlich geschlossen und auch in Gerhus die Nazis nicht selber rausgeschmissen. Das mussten schon die Behörden machen. Aber wir haben einen derart starken Druck entwickelt, dass sie nicht mehr anders konnten.

„Eine breite, sich aufeinander beziehende antifaschistische Bewegung kann es sicherlich eher schaffen, langfristig das Treiben der Faschisten zu beenden“, so hieß es in dem Aufruf von Januar 1995 des damaligen Bündnisses gegen Rechts zu Aktionstagen gegen das Nazizentrum in Hetendorf.

Dieses Konzept war von Erfolg gekrönt und es könnte auch in Eschede erfolgreich sein, wenn eine starke sich aufeinander beziehende Bewegung es schafft, den Druck von unten zu erhöhen.

Daher ist es so wichtig, dass wir alle hier heute stehen und sagen:

Schluss mit den Nazitreffen.

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.